10 Mai 2011

Source Code - Ab 2. Juni im Kino!

Wie erzählt man Geschichten? Im Falle guter bis sehr guter SciFi-Filme gibt es entweder großartiges audiovisuelles Beiwerk, dass vom wenig entwickelten Kern ablenkt oder eben eine sehr dichte Struktur mit Texten oder Gesten, die den Darstellern echtes Schauspiel abverlangen, dem Publikum aber auch den Willen, dem zu folgen. Nur selten jedoch, sieht man eine gute Mischung dieser beiden Extreme. Source Code nun, liegt irgendwo dazwischen. Leider macht es den Film dennoch nicht zu einem Herausragenden. Das beginnt mit einer relativ abgenutzten Handlung, die zwar so exakt noch nicht zu sehen war, aber als Science-Fiction-Thema durchaus keine Neuerung darstellt. Schnell werden die Parallelen zu anderen Genrefilmen deutlich. Unreflektiert könnte man Source Code so als Kreuzung aus Déjà Vu, The 13th Floor und einer beliebigen Episode von The Outer Limits bezeichnen. Der Twist, wenn man ihn überhaupt so nennen kann, wird nach dem ersten Gespräch zwischen Captain Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) und Lt. Colleen Goodwin (Vera Farmiga) mehr als nur angedeutet und hat bei seiner späteren sehr grafischen Auflösung, daher auch weniger Impakt auf den Zuschauer.

Dennoch ist Source Code großartig -in zweierlei Hinsicht. Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt einfach und das merkt man auch. Insbesondere die Beziehungen von Gyllenhaals Charakter zu den beiden Frauen des Films - könnten sie auch unterschiedlicher nicht sein -sind sehr glaubwürdig. Begeistert hat mich auch das sehr ruhige und bedrohlich wirkende Spiel von Jeffrey Wright, der als Chefentwickler Rutledge das Sagen beim Experiment hat. Außerdem glaube ich, dass Duncan Jones (Regisseur, Moon) mit dem Offensichtlichen spielt. Es geht nämlich nicht um den Bombenanschlag auf einen Pendlerzug nach Downtown Chicago. Sicherlich bietet der Vorfall einen Rahmen in dem sich die Charaktere bewegen und durch den das SciFi-Element des Films seine Daseinsberechtigung findet, aber nicht nur ist die Auflösung schrecklich banal, auch die Suche nach dem Attentäter war für mich nach dem ersten 8-Minuten-Zyklus schon vorbei. Alle Charaktere sind Prototypen amerikanischer Klischeevorstellungen. Da wäre Colter, der Prototyp des amerikanischen Helden: junger Soldat, zerstritten mit dem Vater. Rutledge, der soziale Kompetenz vermissen lassende, nach Erfolg gierende Wissenschaftler. Christina, das Mädchen, dass der Held zu retten versucht. Das trifft selbst auf die Passagiere zu, wobei Jones scheinbar nicht umhin kam, den einzigen Fahrgast mit scheinbar arabischen Wurzeln, als natürlich ersten Verdächtigen von Colter verfolgen zu lassen.

Wie nimmt Colter seine Mitreisenden wahr, wie nehmen wir unsere Mitmenschen wahr und in welche Schubladen stecken wir sie? Glaubt man an diese Metaebene, wird der Film zu einer Studie über menschliches Verhalten, ganz ähnlich dem Erstlingswerk des Regisseurs. Moon beschäftigte sich mit dem Wert des Lebens und der ethisch fragwürdigen Ausbeutung dieser menschlichen Ressource, was 1:1 auch auf Source Code zutrifft. Für Jake Gyllenhaal ist dies eine Art Rückkehr zu den eigenen schauspielerischen Wurzeln in Donnie Darko. Fand ich sehr erfrischend zu sehen, dass er nach Prince of Persia zu einer, für SciFi-Filme eher kleinen Produktion ($200Mio vs. $32Mio Budget), ja sagt. Abgesehen von Gyllenhaal ist es generell erstaunlich, was aus dem eher kleinen Budget herausgeholt werden konnte und wie effektiv die eingesetzten Effekte und Kulissen doch sind. Man merkt schon, dass es derer zahlenmässig nicht so viele gibt (im Grunde nur drei "Locations"), aber das tut dem Charme keinen Abbruch, im Gegenteil, so lenkt das Beiwerk nicht vom Geschehen und den Dialogen ab.

Einzig das Ende des Films, über das zu reden ich nach einer SPOILERWARNUNG fortfahren werde, ist problematisch. Auch andere haben dieses Plothole, das ein unnötig kitschiges Happy End ermöglicht, bereits bemängelt. Da Colter seine eigene Abschaltung überlebt, stellt sich nämlich die Frage, was mit dem ursprünglichen Besitzer des Körpers, in dem er sich für normalerweise nur acht Minuten aufhält, passiert und was Colter, der eben nicht die Erinnerung von Sean Fentress besitzt, nach dem "Lass uns blau machen"-Tag mit Christina machen will. So wird Sean zum Opfer von Colter und dem Ende, das mehr Fragen aufwirft, als beantwortet. Will Colter jetzt Lehrer spielen und Seans Familie und Freunde anlügen? Leider wenig clever gelöst.

Wertung: 7 von 10 Punkten

Disclaimer: dieser Artikel erschien zuvor auf fictionBOX.de


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