09 Mai 2011

True Grit (2010)

Echten Schneid haben sie, die Gebrüder Coen. Auch wenn sie mit ihrem Remake einer Buchadaption vorzüglich in die Reihe von Sequels von Sequels von Comicserien, basierend auf Kinderspielzeug u.ä. passen, die dieser Tage in Hollywood an der Tagesordnung sind, schaffen sie es, diesem über vierzig Jahre alten Stoff neues Leben einzuhauchen. Außerdem ist es eher ungewöhnlich ein Wild-West-Szenario in purer Form auf Film zu bannen, derer es - im Vergleich zu John Waynes Zeiten - jährlich kaum eine handvoll gibt. Alle paar Jahre sticht ein Western heraus. Sei es Schneller als der Tod (1995), Maverick (1997) oder Todeszug nach Yuma (2007). Die Geschichte um den kauzigen U.S. Marshall Rooster Cogburn, der erst schießt und dann Fragen stellt, gehört zum Werk von Charles Portis, der mit seinen zutiefst amerikanischen Erzählungen von Kritikern teilweise in einer Reihe mit Hemingway und Twain genannt wird.


Den Schauspielern gelingt es trotz der klaren zeitlichen Einordnung, den Film sehr modern wirken zu lassen. Trotz des oft eher hingerotzten Südstaatenvokabulars mit entsprechend schwerem Akzent und Genuschel, könnten die Figuren auch in der Fortsetzung von No Country For Old Men mitspielen, würde man ihre Pferde durch Motorräder ersetzen. Die Figuren handeln realer, als in klassischen Western - es gibt wenige übertrieben große Gesten oder weise Ansprachen vom gestriegelten Pferd herunter. Auch die unvermeidlichen Shoot-Outs haben einen Hauch von modernen Thrillern, weniger von Knallfrosch-Rauch-Dramatik.


Leider habe ich es nicht geschafft mir die Erstverfilmung noch vor Start der Neuauflage oder dem Schreiben dieses Textes anzusehen, "Der Marshal" wurde im Zuge des neuen Films kürzlich neu aufgelegt und ist auch auf BluRay zu haben & damit sicher einen HD-Blick wert. Da wir gerade dabei sind: im iBook-Store gibt es derzeit einen kurzen Comic von Paramount, der den Prolog des Films einfängt, in drei Sprachen kostenlos zum Download.


Herausragend ist in diesem Film das Schauspiel von Hailee Steinfeld, die mit True Grit zugleich ihr Schauspieldebut abliefert. Sie schafft es, die Entschlossenheit, den Charme und die Gewitztheit der Matti Ross glaubwürdig rüberzubringen. Damit sticht sie meiner Meinung nach auch Jeff Bridges aus, der natürlich seine typische Präsenz auf der Leinwand hat, aber dessen Rolle sich nicht großartig von seinen anderen Rollen kauziger, schroffer, dennoch liebenswerter Männer, abhebt. Er spielt irgendwie einen Part, den Jeff Bridges eben spielt, den vermutlich kein anderer besser spielen könnte, aber er überrascht nicht. Wahrscheinlich leide ich auch etwas an einer Jeff Bridges-Überdosis. Ziemlich blass hingegen wirkte auf mich der Part von Matt Damon, der als erfolgloser Texas Ranger LaBoeuf, zwar eine für die Geschichte kritische Rolle spielt, aber oft über seine Lagerfeuergeschichten nicht hinauskommt und fast als Comic Relief des Films dient.


Leider ergeht es den Bösewichten ebenso. Da der Film den größten Teil seiner Zeit damit verbringt, zugegeben schöne, Landschaftsaufnahmen von deren Verfolgung durch Marshal, Ranger und Matti zu zeigen oder deren Wortgefechte, werden deren Motive leider nur oberflächlich behandelt. Natürlich ist True Grit aus Sicht der gealterten Matti erzählt, die auf ihre kurze Zeit mit den beiden Männern zurückblickt und somit tritt deren Beziehung automatisch in den Vordergrund. Dennoch hätte ich mir mehr Zeit an beiden Enden der Spur gewünscht.


Die Abgeklärtheit von Matti sorgt auch dafür, dass der Film nicht wirklich dramatisch wird. Man könnte ihn fast als leicht (jedoch nicht seicht) bezeichnen, da jeder härtere Moment, der dem Publikum klar machen soll, dass es hier durchaus wild zugeht und ein Menschenleben nur soviel wert ist wie der Gaul auf dem es sitzt, relativ zügig durch knackige Sprüche und schwarzen Humor abgefedert wird.


Der Film ist durchaus sehenswert und für die noch anstehenden kalten Tage im Lichtspielhaus eures geringsten Misstrauens zu empfehlen. Wer ihn sich im Original ansehen möchte, sei darauf hingewiesen, dass man auch als viellesender, -hörender und -sprechender Englischliebhaber oft an die Grenzen des Verständlichen stößt, wenn man Jeff Bridges in seinem Südstaatenakzent lospoltern hört - vielleicht greift ihr dann doch lieber zur Synchronfassung.


Vier von fünf rauchende Colts.

 

Disclaimer: dieser Artikel erschien zuvor auf fictionBOX.de


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